Wasserkraftanlage Ritom
Im Herbst 2010 haben die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), der Kanton Tessin und die Azienda Elettrica Ticinese (AET) eine Grundsatzvereinbarung über die gemeinsame Nutzung der Gewässer abgeschlossen, deren Wasserkraft aktuell in den Kraftanlagen des Ritomsees genutzt werden.
Seit 1920 hatten sich die SBB allein um die Nutzung der Gewässer des Ritomsees gekümmert. Nun ist jedoch die Gründung einer Aktiengesellschaft mit gemischtem Kapital geplant, um gemeinsam Wasserkraftwerke betreiben zu können, welche die Kraft der Gewässer der Kantone Tessin, Uri und Graubünden nutzen. Die Ritom SA, an der sich die SBB zu 75% (120 GWh) und der Kanton Tessin, vertreten durch die AET, zu 25% (40 GWh) beteiligen, soll ihren Inhabern langfristige Vorteile bieten: Die beiden Unternehmen möchten ein Genehmigungsgesuch für 80 Jahre einreichen.
Das neue Wasserkraftwerk des Ritomsees soll die derzeit existierende Anlage ersetzen, die von den SBB 1917 errichtet wurde. Das Projekt sieht die Nutzung von zwei Turbinen mit je 60 MW vor. Eine Turbine soll mit einem 16,7-Hz-Generator ausgestattet werden und die Eisenbahn mit Strom beliefern, während die andere über einen 50-Hz-Generator verfügen und das Kantonsnetz der AET versorgen soll.
Weitere vorgesehene Elemente:
- eine Pumpe mit 60 MW, die eine Nutzung der Energiekapazität der Ritom- und Airolo-Becken ermöglichen soll;
- ein Frequenzwandler mit 60 MW, der zwecks der Sicherstellung einer höheren Produktionsflexibilität einen Wechsel zwischen dem 16,7-Hz-Netz der SBB und dem 50-Hz-Netz der AET ermöglichen soll;
- ein Demodulationsbecken mit 100'000 m3, in dem das Wasser der Ritom- und Stalvedro-Anlage aufgefangen werden soll, um die Auswirkungen besonders hoher und besonders niedriger Abflussmengen für den Fluss Tessin möglichst gering zu halten.
Abgesehen von seiner Beteiligung an der OFIMA besitzt das Tessin derzeit keine Pumpanlage. Die Regulierungsmöglichkeiten für das Netz und die Lagerung sind äusserst eingeschränkt, was sich auf die Mehrwertschöpfung aus den eigenen Gewässern auswirkt. Besonders davon betroffen ist die Leventina mit einer installierten Turbinenleistung von ca. 350 MW, wovon ca. 285 MW dem Kanton Tessin gehören. Auch hier gibt es keine Pumpanlage. Folglich wird die neue Anlage Ritom eine wichtige strategische Rolle für die Umsetzung der kantonalen Energiepolitik spielen.
Die Tragweite des Projekts
Die Vereinbarung ermöglicht dem Kanton und der AET die Weiterverfolgung der im Energieplan (PEC, Piano Energetico Cantonale) festgelegten Zielsetzung, die die Gestaltung einer koordinierten und dynamischen Energiepolitik vorsieht. Eine solche Politik dient dem Zweck, aktuelle Bedürfnisse und Herausforderungen mithilfe von Lösungsvorschlägen für die Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen angehen zu können. Ferner ist die Diversifizierung von Produktion und Versorgung geplant, um höhere Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu erzielen. Dies soll mithilfe von Investitionen in Energieerzeugungsanlagen, die erneuerbare Ressourcen aus der Region nutzen, sowie über eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Kantonsbehörden erreicht werden.
Darüber hinaus wird das Projekt verschiedene Möglichkeiten für die Aufwertung des Umwelt-, Landschafts- und Naturerlebnisses bieten: die Rückführung des Gebiets Piora und des linken Tessin-Ufers in ihren natürlichen Zustand; die Nutzungseinstellung der Gewässer des Cadagnosees; der Abbruch der Canaria-Wasserfassung sowie die Einrichtung eines eigenen Demodulationsbeckens zur Sicherstellung hoher und niedriger Abflüsse, damit die neuen massgeblichen Umweltvorschriften erfüllt werden.
Ferner werden dabei auch die Interessen der SBB hinsichtlich der Stromversorgung des Tessiner Eisenbahnnetzes berücksichtigt. Die Züge der SBB werden zu 70% mit sauberem Strom betrieben, der in Wasserkraftanlagen produziert wird. Dies stellt für das Transportunternehmen eine wichtige Errungenschaft dar, da Nachhaltigkeit zu den Kernwerten der SBB gehört.
Die nächsten Schritte
Im Juni 2018 hat das Projekt Ritom von den Gemeinden Airolo, Quinto, Faido und Prato Leventina die Baubewilligung erhalten.
Im Verlaufe des zweiten Halbjahres haben somit die Arbeiten zur Vorbereitung der Baustelle für die Realisierung des neuen Kraftwerkes begonnen.